Mittwoch, 24. September 2008

Argentiniens Schuldner: Was tun?

Als eine Zumutung für den potenziellen Anleger wertet die FAZ das neueste Umschuldungsangebot der argentinischen Regierung.
Wer mit Schuldenfragen befasst ist, erinnert sich: 2002 stoppte das lateinamerikanische Schwellenland die Bedienung der seiner Auslandsschulden und bot den Gläubigern an, die Papiere zu 30 Prozent des Nennwertes zurückzukaufen. Viele akzeptierten den swap, andere nicht und beschlossen, ihre etwa 30 Milliarden US-Dollar einzuklagen.

“Nachdem mehrere Prozesse vor internationalen Gerichten gewonnen wurden, womit Argentinien faktisch der Zugang zum internationalen Kapitalmarkt verwehrt wurde, scheinen sich nun die Hoffnungen [der verbliebenen Schuldner] zu erfüllen”, melden die Frankfurter.

Doch weit gefehlt: Die neue Offerte ist nach Meinung der Zeitung deutlich schlechter als die alte, denn die Papiere verlieren 66 Prozent ihres Nennwertes, und die Laufzeit der neuen Anlage soll auf 25 Jahre gestreckt werden. Weiter beschwert sich die FAZ:
Mit dem eventuellen Tausch kettet sich der Investor nicht nur weiterhin an die fragilen Finanzen des Landes. Doch der Gipfel der Zumutung ist, dass sich die tauschbereiten Anleger verpflichten sollen, neue Anleihen im Volumen von 25 Prozent des getauschten Nominalwertes zu zeichnen. Das verlangt von den gebrannten Anlegern, die jahrelang um ihr Geld gestritten haben, nicht nur auf einen Gutteil zu verzichten, sondern obendrein noch gutes Geld dem schlechten nachzuwerfen.
Es ist leicht zu erkennen, dass die Redaktion den unbotmäßigen Argentiniern keinen Erfolg bei der Platzierung der Papiere zutraut. Denn eingerahmt werden die Nachrichten von einer kurzen Analyse der Situation der argentinischen Wirtschaft, die sich nach Auffassung der FAZ alles andere als rosig darstellt:
Denn während das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im laufenden und kommenden Jahr auf 5,7 bzw. 4,5 Prozent deutlich nachlassen soll, bleibt die Inflation (…) unverändert hoch. Indes wird schon nicht mehr hinter vorgehaltener Hand kolportiert, dass die offiziellen Inflationsraten die Preissteigerungen stark unterzeichnen. Dominik Theisen, Analyst der Dresdner Bank hält eine Rate von 30 Prozent zutreffender als die ausgewiesenen 9 Prozent.
Es folgen Hinweise zur Situation an der argentinischen Börse, die jedoch nicht nur dahingehend interpretiert werden können, dass es der Wirtschaft des Landes schlecht geht. Sie lassen auch die Lesart zu, dass Finanzstrategen in New York (Morgan Stanley Capital) die argentinische Regierung gezielt unter Druck setzen:
Zudem droht dem Land zumindest an den Aktienbörsen der Verlust des Status als „Emerging Market“ (sich entwickelnder Kapitalmarkt) und die Einschätzung als „Frontier Market“ (unterentwickelter Kapitalmarkt). Ursache sind zum einen die Devisenrestriktionen, die das Deponieren von 30 Prozent der Investitionssumme bei der Zentralbank auf Dauer von 12 Monaten erforderlich machen.
Zudem aber änderte der führende Index-Anbieter MSCI die Zuordnung des italienischen Pipeline-Bauers Tenaris vom argentinischen zum italienischen Kapitalmarkt. Dessen Aktie hat im MSCI Argentina eine Gewichtung von 70 Prozent. Dadurch entschwindet der argentinische Aktienmarkt in der Bedeutungslosigkeit und engt die ohnehin beschränkten Finanzierungsmöglichkeiten der argentinischen Wirtschaft weiter ein.
Dabei hält die Kapitalflucht unvermindert an. Seit März flossen mehr als acht Milliarden Dollar aus dem Land, Schwarzgeld nicht mit gerechnet. Die Zentralbank musste ihre Devisenreserven bei der Baseler Bank ergänzen.
Doch mit der Finanzkrise ändern sich die Zeiten: Einerseits schwindet die Macht der in Auflösung begriffenen Wall Street, andererseits wird es angesichts der momentanen Situation für alle Beteiligten immer schwieriger, an Kredite zu kommen. Aber im Hinblick auf die jüngste Hausse an den Agrarmärkten scheint die von der FAZ kolportierte, abschließende Prognose einigermaßen gewagt:

Das Wachstumsmodell, dass das Land seit 2002 verfolgt habe, habe sich erschöpft, urteilten jüngst die Analysten der amerikanischen Bank Goldman Sachs. Mittlerweile hätten sich starke Ungleichgewichte ergeben, in Form nicht nur der hohen Inflation, sondern auch von Verzerrungen im Preissystem selbst. Zwar könne die Regierung die Ungleichgewichte noch korrigieren - allein, man sehe keine überzeugenden Signale, dass sich die Wirtschaftspolitik in dieser Richtung bewege.

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