Freitag, 17. Oktober 2008

Finanzkrise: Wieder eine verlorene Dekade?

Allmählich werden die Auswirkungen der Finanzkrise rund um den Globus in vielerlei Facetten sichtbar. Dabei wird deutlich, dass die Konsequenzen höchst unterschiedlich ausfallen werden: Über den Daumen gepeilt wird sich dabei wohl herausstellen, dass jene Länder als Gewinner aus der Krise hervorgehen werden, die konservativ gewirtschaftet haben, die heimischen Finanzmärkte halbwegs erfolgreich kontrollieren und auf den internationalen Märkten keine übermäßigen Risiken eingegangen sind. Darüber hinaus sind Einnahmen aus Rohstoffexporten (trotz zunächst wohl noch länger sinkender Preise) eine “sichere Bank”.Dicke Reserven retten die Schwellenländer”, titelte die Financial Times Deutschland vor einigen Tagen. Die Hoffnungen ruhten jetzt auf den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). Die abschließenden Sätze zu Gewinnern und Verlierern der Finanzkrise zeigen deutlich, welchen Eiertanz die Verfechter der freien Märkte oft aufführen müssen, um ihren LeserInnen das allzu Offensichtliche zu ersparen:
Schwellenländer mit hohen Leistungsbilanzdefiziten und hoher Auslandsverschuldung bekommen die Finanzkrise dagegen am heftigsten zu spüren. Die Türkei ist etwa auf hohe ausländische Kapitalzuflüsse angewiesen, um ihr Defizit von fast acht Prozent des BIP finanzieren zu können. Wegen der Krise dürften die Quellen für diese Finanzspritzen weitgehend versiegen.
Gerade weil es in den vergangenen Jahren recht unproblematisch war, solche Defizite zu finanzieren, haben Regierungen und Banken sich großzügig mit Geld an den internationalen Märkten eingedeckt. Jetzt kommt die Rechnung für jene Staaten, die - anders als die wirtschaftlich selbstständigen Schwellenländer - in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden.
Ist die Türkei kein “wirtschaftlich selbstständiges Schwellenland”? Da hätten die Kollegen den Hinweis auf die Probleme von schuldenfinanzierter wirtschaftlicher Expanison ruhig etwas deutlicher formulieren können…..
Für wirklich arme Länder mit heute schon hohen Schulden, die Wirtschaftswachstum kaum aus eigenen Mitteln ankurbeln können, sieht es allerdings auf absehbare Zeit wirklich schlecht aus.

Und gar nicht mehr wird momentan davon gesprochen, dass die Börsen in allen vier BRIC-Staaten herbe Verluste hinnehmen mussten, die jene in Europa und den USA (bisher) deutlich übersteigen. Der Handel an den brasilianischen Börsen musste zeitweise ausgesetzt werden - in Moskau ruhten die Geschäfte sogar tagelang.

Bei all der medialen Aufregung in den letzten Wochen wirkt der nüchterne Tonfall der Kommentatoren bei der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wohltuend.
Much like a tail wagging the dog, investment banks had engaged in practices that reaped huge profits using debt totaling several dozen times the capital held by the company.
However, that system has now collapsed.
Seine Schlüsse zieht E. Zheng auf ebenso unspektakuläre Weise:
As the financial system restructures itself, fears of huge corporate bankruptcies are strong. If consumer spending were further dampened, an economic downturn would be unavoidable.
(…)
Stephen S. Roach, chairman of Morgan Stanley Asia, predicts the coming of another lost decade, US-style.
(…)
After the Cold War ended, it appeared that we had entered a unipolar age with the United States as the sole superpower. (…)
However, (…), the United States has been unable to exert leadership, and the major powers were unable to create a multilateral framework.
The financial crisis triggered in the United States has inadvertently revealed that the world may have entered into a “nonpolar” era brought on by both globalization and the accompanying weakening of nations’ control functions.
Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Bleibt lediglich zu hoffen, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren wenigstens die im letzten Satz ausgesprochene Befürchtung widerlegt.

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