Donnerstag, 25. Februar 2016

Die SDG-Bibel

Eine umfassende Publikation über Möglichkeiten und Grenzen, die die Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs; MediaWatch berichtete) bieten, hat das Global Policy Forum veröffentlicht. Wichtigste Erkenntnis:

Die Zweiteilung der Welt in Entwicklungs- und Industrieländer sehen Jens Martens und Wolfgang Obenland, die Autoren der Studie als "endgültig anachronistisch" an. "Angesichts der notwendigen 'großen Transformation' hin zu einem zukunftsgerechten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem [werden nun] faktisch alle Länder der Welt zu 'Entwicklungsländern'", sind sie überzeugt. Grundsätzlich seien alle 17 SDGs und die Mehrzahl der 169 Zielvorgaben auch für Deutschland gültig.

Deshalb soll hier nur ein Aspekt dieser Broschüre herausgehoben werden, die mit 160 Seiten eher ein Buch geworden ist: "Was hat das ganze mit Deutschland zu tun?" Martens und Obenland sehen die Bundesrepublik gleich dreifach in Pflicht:
Erstens [in Bezug auf] Zielvorgaben und Indikatoren, die primär die interne Situation Deutschlands betreffen, aber universelle Gültigkeit besitzen und deshalb zu den Kernanliegen einer jeden Regierung gehören sollten, egal ob reich oder arm. Hierzu gehören zum Beispiel die Ziele, die sich aus den menschenrechtlichen Verpfichtungen ableiten, (...). Dies betrift etwa die Bereiche Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung.
Auch die eher klassischen Entwicklungsziele, (...) können Zielvorgaben enthalten, die sich an die deutsche Innenpolitik richten. Dies gilt beispielsweise für die Reduzierung der Anzahl der Armen in Deutschland oder die Verringerung des Anteils der Jugendlichen ohne Schulabschluss.

Zweitens [in Bezug auf] Zielvorgaben und Indikatoren, (...) deren Verwirklichung (...) unmittelbare Auswirkungen auf Menschen in anderen Ländern hat, das heißt Ziele mit externen Efekten. Hierzu zählen Ziele zum Ressourcenverbrauch, zu bestimmten Konsum- und Produktionsmustern, zum Ausstoß von Treibhausgasen, aber auch zum Umgang mit Migrantinnen und Migranten.

Drittens [in Bezug auf] Zielvorgaben und Indikatoren, die die internationale Verantwortung Deutschlands betrefen. Gemäß dem Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung der Länder sind die reichen Länder in besonderem Maße gefordert, die finanziellen und regulatorischen Mittel zur Umsetzung der SDGs bereitzustellen.
Und bevor es überhaupt um Entwicklungspolitik geht, fallen den Autoren schon massig Hausaufgaben für die deutsche Umwelt-, Steuer-, Sozial-, Wirtschafts-, Wohnungsbau-, Verkehrs- und Bildungspolitik ein. Hier ein Potpourri:
  • Bekämpfung der (relativen) Armut,
  • Senkung des virtuellen Flächen- und Wasserverbrauchs,
  • Erhöhung der Zahl der Jugendlichen, die mit einem Abschluss von der Schule abgehen, bzw. eine Berufsausbildung abschließen,
  • gleiche Bezahlung von Frauen für gleiche Arbeit,
  • Zurückdrängung der atypischen Beschäftigung,
  • Umbau der Energieerzeugung, der Verkehrsstruktur und Senkung des Energieverbrauchs,
  • Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen verringern,
  • Obdachlosigkeit bekämpfen,
  • Subventionen für fossile Energieträger beenden,
  • Zersiedelung der Landschaft eindämmen,
  • Waffenexporte wirkungsvoll beschränken,
  • Steuerhinterziehung bekämpfen.
Tipp der Redaktion: Ein Blick auf die oben abgebildeten Ziele hilft, die jeweilige Forderung schnell mit einem oder mehreren der 17 hübschen farbigen Kästchen in Beziehung zu setzen. Wer das nicht will, muss sich die Studie "Die 2030-Agenda. Globale Zukunftsziele für nachhaltige Entwicklung" (PDF) schon runterladen, um nachzugucken.

Alle anderen sollten das sowieso auch tun. Denn die SDGs werden die entwicklungspolitische Diskussion - und hoffentlich auch die über Nachhaltigkeit und soziale Entwicklung - spürbar beeinflussen. Und in den nächsten Jahren kann diese sorgfältig gemachte Studie dazu als nützliches Nachschlagewerk sowie Rat- und Ideengeber dienen.

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