Mittwoch, 9. August 2017

Literarische Vorbereitungen, zweiter Teil

Im Zuge der Reisevorbereitungen für Java, Indonesien, gilt es auch, literarische Werke von indonesischen AutorInnen zu lesen. Dabei - und bei den folgenden Synopsen - geht es allerdings nicht um literarische Qualität sondern um den Versuch, etwas über Land und Leute zu erfahren. Wer den ersten Teil der literarischen Reisevorbereitungen nachholen möchte, klicke bitte hier.

Laksmi Pamuntjak zeichnet in "Alle Farben Rot" ein erfreulich detailliertes Bild von den Vorgängen in Indonesien nach der Unabhängigkeit. Ausgehend von der Situation auf der zu den Mollukken gehörenden Gefängnisinsel Buru wird ein weiter Bogen gespannt, in dem auch viele Zwischentöne in der Entwicklung des Vielvölkerstaats anklingen. Hier wird von den Landkonflikten berichtet, die (nicht nur) auf Java bedeutsam waren (und sind). Wir erfahren, dass die Ideale der Linken vielleicht durchaus ihre Berechtigung hatten und dass Indonesien aus einer Vielzahl von Parallelwelten zusammengesetzt ist, auf der sehr unterschiedliche Kulturen existieren. Diese werden nicht nur erwähnt, sondern eine solche exemplarisch auch geschildert. Es wird deutlich, dass an relevanten Stellen Spitzel von Polizei und Militär installiert sind, dass diese durchaus miteinander konkurrieren und dass das die Suche nach einem Dissidenten nicht gerade einfacher macht.
Wer zudem auch etwas über die Grundlagen der javanischen Kultur erfahren will - die Namen der Protagonisten sind der Mahabharata entliehen - und Kulturtipps sucht, wird in Pamuntjaks Werk immer wieder fündig. Nur die Überhöhung der HeldInnen und ihrer Liebe zueinander wird den meisten westlichen LeserInnen vermutlich kitschig vorkommen.


Ayu Utamis "Larung" ist ein in den 60er Jahren geborener Mann vom Lande, der als junger Mann seine Großmutter pflegt und später als Priester Kleinbauern und Widerstand gegen das Suharto-Regime organisiert. Dabei wird er teils von vier Frauen unterstützt, die sich in der Schule kennengelernt haben und aus gehobenen Kreisen stammen. 
Ein Teil des Lebens von Larung wurde bereits im Buch "Saman" erzählt, einer auch in Indonesien viel gelesenen Abrechnung mit der Suharto-Diktatur und der Orde Baru. Mit "Larung" wird die Erzählung beschlossen. Das letzte Drittel des Werkes erzählt ziemlich spannend und glaubwürdig von den Bedingungen und der lebensgefährlichen Arbeit im klandestin organisiserten Widerstand. Aber auch, wer etwas über den Stand der Emanzipationsbestrebungen in Indonesien erfahren möchte, wird "Larung" interessant finden.
Übrigens: Ayu Utami richtet ihr eigenes Leben entsprechend ihren Überzeugungen aus, und das reicht bis zur Wahl der Sprache, in der sie schreibt.

Ratih Kumala "Das Zigarettenmädchen" ist im Reisegepäck gelandet. Zwei heute gemeinfreie Klassiker gibt's im Netz, und die werden ebenfalls mitreisen:
"Letters of a Javanese Princess" (hier der Link zum englischen Text) der Nationalheldin  Raden Adjeng Kartini sowie "Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der Niederländischen Handelsgesellschaft" (wiki, mit Link zum Text) des Niederländers Eduard Douwes Dekker alias Multatuli. Der Autor ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland viel gelesen worden.

P.S.: Die Autobiografie des Prinzen Diponegoro, der ab 1825 einen ziemlich erfolgreichen Aufstand gegen die Niederländer anführte, dann aber verraten wurde, gilt mittlerweile als Weltkulturerbe. Dennoch ist die "Babad Diponegoro" aber bisher scheinbar nur ins Niederländische und Russische übersetzt worden.
Das riesige Werk "Serat Centhini" (ausführliche Inhaltsangabe bei wikipedia engl.), das historische, enzyklopädische und phantastische Elemente mit Volkserzählungen und Märchen Javas vereint, liegt auf Englisch vor - allerdings offensichtlich nur in stark gekürzten Fassungen.

P.P.S.: Filmisch ist Indonesien im Westen bisher übrigens kaum in Erscheinung getreten - mit Ausnahme der "Raid"-Filme. Diese knallharten Eastern haben das Genre um neue Aspekte bereichert (ebenso wie vorher schon "Ong Bak" aus Thailand). Die Redaktion empfiehlt allerdings beide Streifen nur hartgesottenen CineastInnen.

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